Die dramatischen Ereignisse in zahlreichen industriellen Schlachthöfen während der Corona-Pandemie haben die Situation der Schlachtindustrie und die Struktur der Schlachtung und Verarbeitung in Deutschland deutlich gemacht: Hohe Marktkonzentration mit wenigen großen Schlachthöfen, Ausbeutung abhängiger Beschäftigter, miserable Arbeits- und Wohnbedingungen, Verstöße gegen Arbeitsschutzstandards, Hygienevorschriften und Seuchenschutzmaßnahmen.
Zum Positionspapier GRÜNER Agrarpolitiker*innen „Fair, tiergerecht und krisenfest – Die Zukunft der Schlachthöfe neu gestalten“ sagt Mitunterzeichner Hans-Jürgen Müller, agrarpolitischer Sprecher der GRÜNEN im Hessischen Landtag:
„In Zukunft sollen wieder mehr handwerkliche, kleine und mittlere Schlachthofstrukturen eine Alternative zum Schlachten im Akkord sein. Unsere Visionen für die Schlachtindustrie in Deutschland sind vielfältige, dezentrale und in einem fairen Wettbewerb stehende Schlachthofstrukturen sowie nachhaltige bäuerliche Betriebe“.
„Dies lässt sich nur mit einer Qualitätsoffensive für Schlachthöfe umsetzen, die mit der Agrarwende und dem Umbau der Tierhaltung sowie einer deutlichen Reduzierung der Fleischproduktion Hand in Hand geht. Industrielle Schlachtbetriebe in Deutschland müssen höhere Standards an Arbeitsschutz und -hygiene als bisher erfüllen und ihrer Verantwortung als wirtschaftlicher Akteur in ihrer jeweiligen Region gerecht werden.
Wir sind in Hessen mit unseren zahlreichen dezentralen Schlachtereien vergleichsweise gut aufgestellt. Hier gibt es noch ca. 490 Schlachtbetriebe, die in der Summe über vergleichsweise geringe Schlachtkapazitäten verfügen, darunter viele Metzgereien mit eigener Schlachtung. Bei den zahlreichen Kontrollen der letzten Zeit, unter Einbeziehung von Arbeits- und Seuchenschutzstandards, haben sich keine größeren Mängel in Hessen ergeben. In Hessen müssen vor allem die Stärkung und Weiterentwicklung der regionalen Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für regional und ökologisch erzeugte Lebensmittel im Vordergrund stehen, damit diese Betriebe im harten Wettbewerb mit den industriellen Schlachthöfen bestehen können.
Der Ausbau der Weideschlachtung und mobile Schlachtkonzepte sind vielversprechende, ergänzende Ansätze insbesondere für die zahlreichen Direktvermarkter in Hessen “, sagt Müller.
Das in Hessen im Rahmen des Förderprogramms Europäische Innovationspartnerschaft (EIP) durchgeführte Pilotprojekt „Extrawurst“, entwickelte mit allen Akteuren der Wertschöpfungskette bereits Leitlinien für ein teilmobiles Schlachtsystem und leistet damit schon einen wichtigen Beitrag zur Steigerung des Tierwohls. Die Anpassung behördlicher Auflagen ist zentral für die Weiterentwicklung von Systemen für das Schlachten im Haltungsbetrieb.
Müller: „Das regionale Fleischhandwerk muss gezielt gefördert werden und Wettbewerbsnachteile kleiner regionaler Schlachtbetriebe müssen egalisiert werden. Unternehmer*innen sollen Unterstützung beim Bau neuer und beim Umbau kleiner und mittelständischer Schlachtstätten erhalten, beispielsweise bei der Beantragung einer Genehmigung auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Zudem muss für kleine Betriebe das Baurecht vereinfacht werden.”
Der jüngst von Staatsministerin Hinz überreichte Förderbescheid für einen handwerklichen Geflügelschlacht- und Verarbeitungsbetrieb in Nordhessen, ist dafür ein positives Beispiel und geht in die richtige Richtung. Der Verarbeitungsbetrieb Bio-Frischgeflügel Roth will in Witzenhausen eine neue Schlacht- und Verarbeitungsstätte bauen. Hier wird das auf dem eigenen Landwirtschaftsbetrieb gemästete Geflügel und anderes Biogeflügel aus dem Werra-Meißner Kreis handwerklich verarbeitet. Dabei wird die gesamte Arbeitskette von Schlachten über Zerlegen und Verarbeiten an einem Ort durchgeführt.
„Familie Roth zeigt, wie lange Tiertransporte im Sinne des Tierschutzes vermieden werden können und gleichzeitig die volle Wertschöpfung in der Region erhalten bleibt. Genau solche Betriebe brauchen wir, um ein Gegengewicht zu den industriellen Schlachthöfen und mehr Tierwohl zu schaffen. Deshalb müssen diese Betriebe gezielt gefördert werden“, betont Müller.
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